Frauenseelsorge

Erzdiözese München und Freising

Christoph Huber

Brigida und das Lichtmessfest

Am 1. Februar, einen Tag vor Mariä Lichtmess, feiert die Katholische Kirche eine Heilige, die in Deutschland weitgehend unbekannt ist: Brigida von Kildare. Manche Brigitte, Britta oder Birgit ist nach ihr benannt. In Irland zählt Brigida neben Patrick und Kolumban zu den wichtigsten Schutzheiligen.

Ihre Lebensdaten, 451-525, sind so ungewiss wie die Geschichten, die über sie tradiert wurden. Ob sie wohl tatsächlich ein Königskind heidnischer Herkunft war, welches – von der Liebe zu Christus ergriffen – viel Gutes tat, unter einer Eiche ein Doppelkloster als Äbtissin leitete, vor allem den Wöchnerinnen und unehelichen Kindern half und obendrein ein Herz für die Haustiere hatte? Ein historischer Kern wird hinter allen Legenden um die mächtige Frau angenommen. Wofür aber steht das seltsame Kreuz, das sie auf Abbildungen stets in ihrer Rechten hält und das frappierend an ein Sonnenrad erinnert? Und das lodernde Feuer, das manchmal über ihrem Haupt abgebildet ist?

Die Platzierung ihres Gedenktags, der ihr Todestag sein soll, bringt buchstäblich Licht ins Dunkel: Schon in vorchristlicher Zeit wurde in der Nacht zum 1. Februar das wachsende Tageslicht gefeiert. Die irischen Kelten huldigten der Feuergöttin Brighid und hofften, dass die Herrin über Herdfeuer und Sonnenstrahlen die Welt bald aus der Kältestarre holen würde. Die englische Vokabel bright (hell, scheinend, leuchtend) erinnert an den keltischen Brighidskult. Vermutlich wurde das heidnische Fest christianisiert, indem alte Lichtrituale auf Christus und die ihm dienende Äbtissin Brigida übertragen wurden. Was immer schon gefeiert wurde – die Hoffnung auf Leben unter göttlichem Schutz am Beginn des neuen Vegetationszyklus – bekam ein neues Vorzeichen. Diese Hoffnung leuchtet heute denen auf, die in den Lichtmess-Gottesdiensten ihre Kerzen segnen lassen.

Der alte Name „Mariä Lichtmess“ für das Fest „Darstellung des Herrn“ erinnert daran, dass Maria und Josef ihren Sohn 40 Tage nach seiner Geburt gemäß jüdischer Vorschrift in den Tempel brachten und dass dort die beiden alten Leute Simeon und Hanna in dem kleinen Kind den Retter der Welt erkannten. In Simeons Lobgesang wird der Knabe gepriesen als „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,29). Tatsächlich hat der Glaube an Christus schon vielen Menschen Licht in ihr Leben gebracht. Eine alte christliche Grußformel lautet deshalb „Licht und Leben!“

In Kildare lebt in letzter Zeit der Brauch wieder auf, das Brigidenfeuer zu hüten, das bis ins 13. Jahrhundert als ewige Flamme vor dem Brigitten-Kloster brannte, dann aber als heidnisches Ritual verboten wurde. Eine Eiche wurde vor wenigen Jahren neben der neu errichteten Feuerstelle gepflanzt, weil sie als ehemals heiliger Baum der Kelten das Erbe der Heiligen mit dem vorchristlichen Ursprung verbinden kann, wenn sie nun den Ort der Klostergründung markiert.

Auch das Brigidenkreuz, ursprünglich ein keltisches Sonnenrad-Symbol, hat eine christliche Umdeutung erfahren. Die Heilige soll aus Liebe zur Natur ein kunstvolles Binsenkreuz geflochten haben, das zum Symbol des Brigittenordens wurde. Doch wenn am Brigidstag in Kindergärten und Schulen das Flechten der Kreuze gepflegt wird, dann nicht nur aus christlichen Motiven, denn die Swastika (= Glücksbringer), wie diese Radform benannt ist, gilt in vielen Religionen als religiöses Glückssymbol, das sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen lässt. In Brigittes Händen soll es Wachsen und Gedeihen im neuen Vegetationszyklus garantieren.

Eine Liedzeile, die bis ins 18. Jahrhundert erklang, verrät die vorchristlichen Wurzeln des Brigidkults und die Verbindung zu Lichtmess:

 „Brigit, du ausgezeichnete Frau, jähe Flamme,

möge uns die helle, feurige Sonne zum ewigen Königreich bringen.“

Alte Bauernregeln mahnen aber auch zu Geduld, denn noch ist tiefer Winter. Kälte und Dunkelheit sind wichtig für die ruhende Vegetation und haben jetzt ihre Berechtigung. Schließlich hat alles seine Zeit:

Wenn's an Lichtmess stürmt und schneit,
ist der Frühling nicht mehr weit;
ist es aber klar und hell,
kommt der Lenz wohl nicht so schnell.

 

Doch unverkennbar werden die Tage wieder länger und die Sonne gewinnt an Kraft. Gegen die Angst vor den Tod bringenden Mächten des Winters sagt der Volksmund einen einprägsamen Merkvers auf:

So wächst das Tageslicht:
Weihnachten um an´Muggenschritt,
Neujahr um an' Hahnentritt,
Dreikönig um an' Hirschensprung,
Lichmess um a' ganze Stund.

 

Irmgard Huber

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Frau Holle und die weiße Pracht in dunkler Zeit

Christoph Huber

Ob Frau Holle wohl in diesem Winter kräftig die Betten schütteln wird? Nicht alle wünschen es sich. Manche fürchten sich sogar davor. Aber kaum jemand macht heute wirklich noch die alte Dame für Schneefall verantwortlich. Die Zuständigkeit fürs Wetter ist im christlichen Kulturkreis zu Sankt Petrus gewandert. Doch früher traute man Frau Holle eine Menge zu, denn sie war weit mehr als nur eine Märchengestalt.

 

Mythologische Wurzeln: die Göttinnen Frigga und Freya

Einst verehrten die Menschen im Norden Europas eine Göttin aus dem Göttergeschlecht der Asen, die Ehe, Leben und Mutterschaft schützte: Frigg(a), als Gattin Odins die Himmelskönigin. Sie, die Große Mutter, galt auch als Hüterin des Herdfeuers und des Haushalts. Von ihrem Spinnrad erhielten die Nornen, die Hüterinnen des Schicksals, den Lebensfaden.

Nicht so häuslich wie die spinnende Frigga, aber genauso wichtig war Freya aus dem Göttergeschlecht der Wanen, Tochter der Schneeriesin Skadi und des Meeresgottes Njörd. In ihr war Stürmisches und Glitzerndes verbunden. Ähnlich den Göttinnen Venus und Aphrodite wurden ihr Liebe, Fruchtbarkeit und Leidenschaft zugeordnet. Wie groß man ihre Macht einschätzte, ist daran zu erkennen, dass sie als Herrin der Walküren die Hälfte der gefallenen Helden für ihre Jenseitsburg Folkwang beanspruchen konnte. Die andere Hälfte kam zu Odin nach Walhall.

 

Neue Namen für alte Göttinnen: Frau Holle und Frau Percht

Im Laufe der Zeit vermischten sich die Qualitäten der beiden Göttinnen, was dadurch begünstigt wurde, dass im Südgermanischen eine Lautverschiebung stattfand: Aus Frigga wurde erst Frija und dann Freja. So war Friggas Verschmelzung mit Freya vorprogrammiert. Unser Wort „Frau“ geht wie der Freitag als „Frauentag“ wahrscheinlich eher auf Frija als auf Freya zurück.

Obendrein wurden Beinamen gebraucht, denen man nicht mehr eindeutig anmerkte, welche der beiden Göttinnen gemeint war:

Die Huldvolle, der man den Schutz von Ehe, Familie und Herdfeuer zuschrieb, blitzt in den Namen Hulda oder Holla auf. Sie nahm sich im Volksglauben der Seelen verstorbener Kinder an, die sie als „Heimchen“, kleine Zwerglein, begleiten durften. Außerdem hütete sie die Seelen der Ungeborenen im Holle-Teich, weshalb in Brunnen und Bächen oft Verbindungswege zu ihrem Reich gesehen wurden. Als Erdmutter war sie einerseits für Weitergabe des Lebens zuständig, als Unterweltsgöttin andererseits für den Tod. Die sprachliche Verwandtschaft von Holle, Hölle und Unterweltsgöttin Hel spricht Bände. Doch allzu düster ist der Gesamteindruck nicht: Dass Holle auch mit Heil-Sein zusammengedacht wurde, sieht man an der Beiordnung der alten Heilpflanzen Holunder und Wacholder, die noch unverkennbar den Bezug in ihrem Namen tragen.

Der Name Perchta, auch für Holle gebraucht, geht eher auf Freyas Qualitäten zurück. Die Güldene und Prächtige wurde sie genannt, denn ihre Haarpracht erinnerte an die Strahlen der Sonne und an goldgelbes Getreide. In den zwölf Raunächten war sie nach alter Überlieferung weiß gekleidet auf einem von Schimmeln gezogenen Schlitten unterwegs in der verschneiten Landschaft – ungesehen und unerkannt. Nur zartes Glockengebimmel kündete an, dass sie in der Nähe war. Dann brachte sie zu den unter dem Schnee schlafenden Blumen den Traum vom Frühling. Und sie beschenkte die Menschen. Vor allem Nützliches legte sie vor die Türen. Wer aber ihre Gaben nicht recht zu schätzen wusste, sie nicht sinnvoll einsetzte oder sich selber hartherzig zeigte, musste auf Strafen gefasst sein.

Hulda oder Holla hat im Märchen überlebt. Aus ihr wurde Frau Holle, nicht nur Herrin über die Schneeflocken, welche die tüchtige, hilfsbereite Goldmarie belohnt und die faule, egoistische Pechmarie bestraft. In den alpenländischen Perchten, die sowohl als anmutige „Schönperchten“ als auch als schauerliche „Schiachperchten“ auftreten, ist die Doppelgesichtigkeit der Gottheit erhalten geblieben, die nicht nur freundlich, sondern auch richtig zornig werden kann und schlechtes Verhalten nicht toleriert.

 

Christliche Umdeutung: Christkind und Knecht Ruprecht

Aber auch unser Christkind trägt unverkennbar Züge dieser mythischen Perchta. Rein optisch hat das himmlische Wesen, das Martin Luther ursprünglich als „Herre Christ“ gegen den Gaben bringenden Nikolaus antreten ließ, viel mit der prächtigen Frau Percht gemeinsam. Als blondgelockte junge Frau im prunkvollen, hellen Gewand grüßt es mitten im kalten Winter am Nürnberger Christkindlesmarkt aus der Höhe. Besonders schön ist das Bild, wenn dabei auch noch weiche Schneeflocken vom Himmel fallen und sich das goldene Licht der Kerzen in den Schneekristallen bricht.

Die dunkle Seite der Percht ist im Knecht Ruprecht mit der Rute abgebildet, der die Bösen in den Sack steckt und mitnimmt. So hat die alte Symbolik überdauert, die besagt, dass es so etwas wie göttliche Gerechtigkeit gibt und dass es sich lohnt, hilfsbereit, anständig und fleißig zu sein. Denn wir sind umsorgt von einer guten Macht, der wir nicht egal sind. Sie steht uns unerkannt zur Seite, damit unser Miteinander gelingt – und das nicht nur an Weihnachten, wenn wir voll Inbrunst singen:

 

Alle Jahre wieder

kommt das Christuskind

auf die Erde nieder,

wo wir Menschen sind.

 

Kehrt mit seinem Segen

ein in jedes Haus,

geht auf allen Wegen

mit uns ein und aus.

 

Steht auch mir zur Seite,

still und unerkannt,

dass es treu mich leite

an der lieben Hand.

 

(T: Wilhelm Hey / M: Friedrich Silcher)

 

 

Irmgard Huber

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Befana und der Besenritt an Epiphanie

Christoph Huber

 

Der Brauch

Eine hässliche Alte auf dem Besen, die Kindern in der Nacht zum Dreikönigsfest Geschenke bringt, kann das ein christlicher Brauch sein? Tatsächlich freuen sich in Italien die Kleinen auf Befana, eine mythische Gestalt, die auf den ersten Blick sehr befremdlich wirkt. Wie der Nikolaus und sein Knecht Ruprecht belohnt sie die Guten und bestraft die Bösen, füllt den Einen die Strümpfe und Schuhe mit Süßigkeiten, den Anderen mit Kohlebrocken. Doch weil sie eine gutherzige Hexe ist, besteht die Kohle aus Bruchstücken einer geschwärzten, erstarrten Zuckermasse. Carbone dolce, die italienische Leckerei, ist eine symbolische Mahnung an ungezogene Kinder, keine richtige Strafe.

 

 

 

Die Legende

Der Legende nach, soll eine Frau einst von den Hirten die Frohbotschaft von Jesu Geburt erhalten haben, doch weil sie noch mit Weben beschäftigt war, machte sie sich erst spät auf den Weg zum Christkind. Zu spät! Weil der Stern bereits wieder erloschen war, konnte sie den Stall mit der Krippe nicht finden. Die Geschenke, die sie dem Christkind hatte bringen wollen, verschenkte sie an Kinder, die ihr auf ihrem Weg begegneten. Seit damals macht sie sich jedes Jahr zur Weihnachtszeit neu auf die Suche nach dem göttlichen Kind. Und weil sie schon weiß, dass alle Kinder sehnsüchtig auf ihre Geschenke warten, ist sie immer schwer bepackt, denn niemals wieder soll ein Kind vergeblich auf ihren Besuch warten. Gewissenhaft füllt sie in jedem Haus die Socken am Kamin und die Stiefel vor der Haustür.

 

Vorchristliche Vorstellungen

Wie so oft haben sich in Lauf der Jahrhunderte vorchristliche Traditionen mit christlichen Motiven vermischt. Befana trägt unverkennbar Züge der Perchta und der Holle. Beide haben im Märchen überlebt. Während Frau Percht vor allem im alpenländischen Raum bekannt ist, begegnet man Frau Holle eher im Mitteldeutschland. Gemeinsam ist diesen Frauengestalten die Wurzel in der nordischen Mythologie. Merkmale der Göttinnen Freya und Frigga sind in ihnen erhalten geblieben, aber auch andere Erzählfäden von Vegetations-, Mutter- und Unterweltsgöttinnen wurden eingewebt. Auffälliges Wandermotiv in Sagen und Legenden der Winterzeit ist das Spinnen und Verweben des Lebensfadens. Überleben im Winter war früher in unseren Regionen keine Selbstverständlichkeit. Hunger und Kälte brachten vor allem den Kleinen den Tod. Es entstanden Bräuche, die Hoffnung weckten auf ein Durchhalten in der schlimmen Zeit, ohne die Gefahren auszublenden. Überleben und Sterben wurden als ein belohnendes und strafendes Wirken jenseitiger Mächte interpretiert. Dass es ursprünglich überwiegend weibliche Gabenbringerinnen waren, die in der Fantasie der Menschen Gestalt annahmen und Segen in die Häuser und Hütten brachten, hängt damit zusammen, dass Leben-Schenken als „Frauensache“ wahrgenommen wurde. Das Befüllen von Schuhen und Strümpfen hat Fruchtbarkeitssymbolik und ist auch aus Hochzeitsbräuchen bekannt. In Märchen begegnet das Motiv als Initiationsritus für heiratsfähige Mädchen. Auch hier geht es um das Leben-Schenken.

 

Bedeutungswandel

Mit der Unterordnung der Frau unter den Mann wandelten sich die Mythen. Auch Knecht Ruprecht trägt in seinem Namen die Wortwurzel der „Perchta“, welche dämonisiert wurde und nur noch als Schreckgestalt durchs Brauchtum geistert. Und Befana – abgeleitet von Epiphanie, dem Fest der Erscheinung des Herrn – gilt als heidnisches Gegenstück zu den Heiligen drei Königen, die vor dem göttlichen Kind die Knie beugen. Ihr bleibt versagt, was den männlichen Sterndeutern gelingt. Der Besen, Symbol der Reinigung und Läuterung, wird zum skurrilen Flugobjekt. Doch die gute Absicht, die die freundliche Weihnachtshexe antreibt, macht sie zum Liebling der italienischen Kinder.

 

Irmi Huber

 

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