Frauenseelsorge

Erzdiözese München und Freising

„Im Wald baden“ - Achtsames Herbsterlebnis

Foto:pixabay

von Inge Reschauer

Liebe Frauen,

der Herbst lädt uns ganz besonders ein, den Wald zu betrachten, zu bewundern, zu besuchen - ihm tatsächlich zu begegnen! Vieles gibt es an diesem Ort zu bestaunen, der im Märchen oft Stätte des Dunklen, Unberechenbaren und Geheimnisvollen ist.

Unsere Sinnesorgane dürfen sich in der Zeit der Ernte und des Blätterfalls, wenn die Säfte sich nach und nach zurückziehen, auf vielfältige, fulminante Eindrücke freuen! Die duftende Waldluft öffnet unsere Nasen, die Vielfalt der herbstlichen Farben ausdrucksstarker Grün-, Rot- und Brauntöne versetzt uns in Staunen und das fröhliche Rascheln des Laubes ist Musik in unseren Ohren. Zusätzlich können wir mit etwas Glück tierische Waldbewohner*innen entdecken, die sich viel eher zeigen, wenn wir in Stille im Wald verweilen.

Waldaufenthalte haben nachweislich positive Effekte auf das Immunsystem. In Japan sind Waldbesuche oft nicht einfach nur Naturspaziergänge, sondern seit vielen Jahren auch wissenschaftlich belegte Gesundheitsvorsorge. Der Begriff "Shinrin-yoku" bedeutet übersetzt "Waldbaden". Dies entspricht einem achtsamen, absichtslosen Schlendern und Verweilen im Wald, wobei alle unsere Sinne weit geöffnet werden. Waldmedizin ist an japanischen Universitäten ein anerkanntes Forschungsgebiet. Pflanzenduftstoffe, sogenannte „Terpene“, die wir beim Einatmen in unserem Körper aufnehmen, haben nachweislich Wirkungen auf das menschliche Wohlbefinden. Die Wahrnehmung der Natur kann unter anderem ein Absenken der Stresshormone mit allen gesundheitsfördernden Auswirkungen bewirken.

Wunderbare Schöpfung! In all diesen Beobachtungen und Eindrücken können wir sie entdecken. Eine Art Symbiose verbindet uns mit dem Wald. Menschen erhalten vielfältige Holz- und Werkstoffe für das Leben, solange es gelingt, das Gleichgewicht der Natur zu erhalten. Bilder des Baumsterbens führen uns vor Augen, wie der Wald auf die Achtung vor der Schöpfung angewiesen ist.

Wann waren Sie zuletzt im Wald? Nehmen Sie den goldenen Oktober und die Herbstzeit zum Anlass, ein Waldbad zu nehmen. Spazieren Sie ganz langsam durch den Wald und bleiben Sie immer wieder stehen. Schauen Sie genau hin, wo Sie sonst vielleicht einfach vorübergehen. Geben Sie sich die Chance, Wald und Natur aufs Neue zu entdecken.

Wenn Sie in Begleitung unterwegs sind, überraschen Sie sich gegenseitig:

Bleiben Sie abwechselnd mit verschlossenen Augen am Wegrand stehen. Die andere Person holt etwas aus dem Wald und gibt es Ihnen in die Hand zum blinden Betasten und Beschnuppern: Welche Erinnerungen bringt diese Wahrnehmung in Ihnen hervor? Nehmen Sie sich Zeit und danken Sie am Ende mit einem Gebet. Vielleicht fällt Ihnen auch da eines ein, das Sie lange nicht mehr in Ihrem Kopf und Herzen bewegt haben?

Literatur: ShinrinYoku - wissenschaftlich erklärt
https://www.shinrinyoku.de/waldbaden/shinrinyoku-wissenschaftlich-erklaert.html

Kleine Feder im Wind

Foto: Vogelfeder von UlrichRahm/WikimediaCommons

Vor meinem Fenster weht der Wind gerade das erste bunte Herbstlaub über die Straße. Da kommt mir eine große Heilige in den Sinn: Hildegard von Bingen. Ihr Namenstag, der 17. September, fällt ins erste Drittel des meteorologischen Herbstes.

Wie eine kleine Feder, die der Wind treibt, so komme sie sich manchmal vor, behauptete einst die Magistra, die mit den Mächtigen der Welt – selbst mit Kaiser und Papst! – korrespondierte, in einem Brief an Abt Philipp von Heinsberg, dem späteren Erzbischof von Köln. Wie eine Feder, die aus eigener Kraft nicht fliegen könne, aus sich selbst heraus völlig uneffektiv sei. Erst durch Gottes Zutun gerate sie in Bewegung. Auf diese Weise wirke Gott durch ein Wesen, das sich selbst nicht das Geringste zutrauen würde, wäre da nicht diese treibende Kraft…

Was für ein interessantes Bild gebraucht Hildegard, um ihre Gefühle zu beschreiben! Sie, die große Theologin, die es für eine im 12. Jahrhundert lebende Frau zu unglaublichem Ruhm brachte, wählte für sich das Bild der unscheinbaren Feder im Wind. Einfach nur raffinierte Strategie? Ein absichtliches Sich-Klein-Machen, um das Gegenüber herauszufordern, ihre Bedeutung herauszuheben und ihr Wissen zu würdigen?

Vielleicht war es so, denn sie erwies sich wiederholt als blitzgescheite Strategin. Doch ich kann mir durchaus vorstellen, dass sie selber manchmal erschrocken war angesichts der Größe dessen, was die Geistkraft ihr eingab und zu welchen Leistungen sie sie antrieb.

Auf jeden Fall ist darin eine Mut-Mach-Botschaft der Kirchenlehrerin enthalten: Wenn wir dort, wo es uns „hinweht“, zu wirken versuchen, um die Welt zum Guten hin zu verändern, werden wir eine bewegende, motivierende Kraft in uns spüren (im Sinne von Motor = Antrieb). Auch in Situationen, in denen wir uns schwach und wirkungslos fühlen, ist diese Kraft in uns bereit, uns beizustehen.

Irmi Huber