Nicht nur im Mai und im Oktober, auch im August und im September, wenn in unseren Breiten Kräuter und Getreide geerntet werden und die letzten Sommerblumen ihre Pracht entfalten, ist ein Zeitabschnitt speziell für Marienverehrung reserviert: Ab der ersten Vesper am 15. August bis zum Sonnenuntergang am 15. September wird in einigen katholischen Gegenden Bayerns mit Wallfahrten und Andachten der „Frauendreißiger“ begangen. Grund dafür ist, dass in diesen Zeitraum fünf Marien-Gedenktage fallen:
Am 15. August wird Mariä Himmelfahrt gefeiert, ein Fest, dass es schon seit dem 5. Jahrhundert gibt und um das sich verschiedene Legenden ranken. Was die Christenheit eigentlich immer schon glaubte, wurde 1954 als verbindliche Glaubenslehre festgelegt (Dogma): die Aufnahme der Gottesmutter mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit. Bei ihr ist exemplarisch vorweggenommen, was von Gott allen Menschen versprochen ist: Der Tod ist nicht das Ende, sondern Übergang in die ewige Gemeinschaft mit Gott. Das, was einen Menschen als Individuum ausmacht, seine Einzigartigkeit als Person und seine Beziehungen, sein Dasein und sein Mit-Anderen-Sein, wird durch Gottes Gnade hineinverwandelt in ein „ewiges Leben“.
Am 22. August, also acht Tage später (Oktav zu Mariä Himmelfahrt), folgt das Fest Maria Königin, welches das uralte Bildmotiv der Marienkrönung aufgreift: Der auferstandene und als Himmelskönig dargestellte Christus setzt seiner in den Himmel aufgenommenen Mutter die Krone der Vollendung auf. Das macht Maria mit ihren speziellen Wesenszügen zu einem herausragenden Vorbild und verleiht ihr königliche Würde. Somit ist sie oberste Repräsentantin der Kinder Gottes im Himmelreich.
Am 8. September wird Mariä Geburt gefeiert. Bauernregeln bezeugen, dass Herbstbeginn und Geburtstag der Gottesmutter in Verbindung gebracht wurden (alte bairische Volksweisheit: „An Mariä Geburt fliagn de Schwaiberl furt!“). Gemäß dem legendären Protoevangelium des Jakobus wird dem schon älteren Ehepaar Anna und Joachim nach langer Kinderlosigkeit von Gott eine „Tochter voll der Gnade“ geschenkt, ein Menschenkind ohne Sünde, ausersehen, den Gottessohn zu gebären.
Am 12. September steht im deutschsprachigen Raum Mariä Namen im Kalender. Zwar ist das Fest erstmals im 16. Jahrhundert in Spanien belegt, doch offiziell eingesetzt wurde es erst 1683, weil an diesem Tag auf dem Kahlenberg bei Wien das türkische Heer besiegt wurde und die Belagerung der Stadt endete. Die Bedeutung des sehr alten, weit verbreiteten Mädchennamens (auf Hebräisch Mirjam auf Aramäisch Marjam) hat eine große Bandbreite und reicht von „Breite“, „Bittere“, „Schöne“ und „Herrin“ bis zu „diejenige, die Gott gefällt“. Früher hießen alle Mädchen, die um den 12. September katholisch getauft wurden, selbstverständlich Maria und konnten deshalb Namenstag feiern, der viel wichtiger war als der Geburtstag.
Der 15. September als Gedenktag für die sieben Schmerzen Mariens wurde 1814 für die Gesamtkirche eingeführt, nachdem es schon seit 1667 vom Serviten-Orden gefeiert worden war. Es ist zugleich der Oktav-Tag (8. Tag) zu Mariä Geburt, denn früher wurden große Feste acht Tage lang gefeiert. Erinnert werden: 1. Spruch Simeons über das Schwert durch Marias Seele, 2. Flucht nach Ägypten, 3. dreitägiger Verlust des Jesusknaben in Jerusalem, 4. Kreuzweg Jesu, 5. Kreuzigung Jesu, 6. Kreuzabnahme, 7. Grablegung Jesu. Sie sind der Gegenpool zu den sieben Freuden Mariens: 1. Verkündigung, 2. Heimsuchung, 3. Geburt Christi, 4. Anbetung der Könige, 5. Begegnung mit Simeon und Hanna, 6. Wiederfinden Jesu im Tempel, 7. Krönung Mariens.
Frauendreißiger
Mit Maria ist gut feiern,
denn sie ist das Band
zwischen oben und unten
zwischen Himmel und Erde
zwischen einst und jetzt
zwischen Jungfrau und Mutter
zwischen Vertrauen und Verstehen
zwischen Erwartung und Erfüllung
Mit Maria ist gut feiern,
denn sie bringt den Duft
von Wein aus vollen Krügen
von zarten Blüten in bunten Farben
von frischen Kräutern voll Wirksamkeit
von Ölen und Salben aus sanften Händen
von Heilung und Heil-Sein
Mit Maria ist gut feiern,
darum lasst sie uns grüßen
als irdische Schwester und himmlische Frau
als demütige Magd und erhabene Königin
als mit uns Leidende und mit uns Liebende
als uns Begleitende und für uns Sprechende
als eine von uns und eine für alle
26.08.2022/Irmi Huber